Bundeskriminalamt (BKA)

Navigation durch den Inhalt des Kapitels / Modules

Inhalt des Kapitels / Moduls

Es erstreckt sich von relevanten Mikrosystemen (etwa: Familie, Freundeskreis, jeweilige extremistische Bezugsgruppe etc.) einer Person bis hin zum jeweilig spezifischen Makrosystem einer Gesellschaft, womit die geltenden Gesetze und bestehenden Wertvorstellungen angesprochen sind. Zwischen den Ebenen des Mikro- und Makrosystems sind die Meso- und Exosystemebene angesiedelt. Die Mesosystemebene stellt die jeweils spezifische Kombination der unterschiedlichen Mikrosysteme dar, in die ein Individuum eingebunden ist – sie kann mehr oder weniger komplex sein: Für das Kleinkind ist sie in der Regel sehr übersichtlich und beschränkt sich im Kern auf die Herkunftsfamilie – mit zunehmendem Alter differenziert sie sich aus und wird in der Regel deutlich komplexer und heterogener. Das Exosystem umfasst vor allem die größeren institutionellen Kontexte einer Gesellschaft (wie etwa: das Ausbildungssystem, die Arbeitswelt, den Verwaltungsapparat), die die Handlungsmuster auf der individuellen und mikrosozialen Ebene beeinflussen. Blicken wir auf die unterschiedlichen extremistischen Erscheinungen, so ist hier natürlich insbesondere auch der gesellschaftliche Sicherheitsapparat (primär: Polizei, Nachrichtendienste) angesprochen, aber eben nicht nur, denn auch andere institutionelle Strukturen können potenziell und durch indirekte Einflussnahmen für die Entwicklung des Phänomens äußerst relevant sein: die Medien- und Parteienlandschaft, der Justizapparat, Einwanderungsbehörden, der Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Moscheegemeinden, islamische Verbände, Einrichtungen der Wirtschafts- und Finanzwelt sowie nicht zuletzt auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, die sich zu diesen Phänomenen positionieren bzw. konkret – etwa im Rahmen von Präventionsarbeit – engagieren.

Wie sich andeutet, stellt sich dem Einzelnen das Umfeld auf unterschiedlichen Stufen sozialer Kollektivität, sozialer Nähe und formaler Struktur gegenüber. Theoretischer Ausgangspunkt dieses soziologisch-entwicklungspsychologischen Modells ist die Auffassung von menschlicher Entwicklung als Prozess der „fortschreitenden, lebenslangen, wechselseitigen Anpassung von einem sich entwickelnden menschlichen Organismus und den sich verändernden unmittelbaren Umwelten, in denen er lebt, der Art und Weise, wie dieser Prozess durch Beziehungen innerhalb und zwischen diesen unmittelbaren Settings beziehungsweise durch die größeren sozialen Kontexte beeinflusst wird, sowohl informeller als auch formeller Art, in denen die Settings eingebettet sind".11) Das Umfeld wird als eine „verschachtelte Anordnung von Strukturen aufgefasst, von denen jede wiederum in der nächsten enthalten ist".

Wie Abbildung 2 illustriert, ist das Umfeld eines Individuums nach Bronfenbrenner auf mehreren Strukturebenen angeordnet; es ist sozial mehrschichtig organisiert, wobei die in den unmittelbaren Umwelten auf der Mesosystemebene gemachten Erfahrungen durch Bedingungen von und Wechselwirkungsbezügen zwischen den Umwelten auf den übergeordneten Strukturebenen beeinflusst sind, an denen die entsprechende Person nicht direkt partizipiert. Die gemäß Bronfenbrenner zu unterscheidenden vier Systemebenen werden nach einer kurzen Darstellung der Theoriekomponenten „Ideologie" und „Person" näher skizziert.

Person

Wesentlich im Zusammenhang mit dem zu untersuchenden Phänomenfeld scheinen die Einstellungen und Werthaltungen sowie die allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften des infrage stehenden Personenkreises. Diese „erwirbt" das Subjekt im Rahmen des Sozialisationsprozesses, der wesentlich von den strukturellen Umfeldbedingungen der jeweiligen Person beeinflusst ist.

So bedarf es etwa eines gewissen Maßes an Gewaltbereitschaft, um als Terroristin oder Terrorist in Erscheinung zu treten, und die dominanten Wertorientierungen müssen offenbar eine gewisse Schnittmenge mit denjenigen der jeweiligen terroristischen Gruppierung aufweisen, um sich entsprechend zu engagieren – so wären beispielsweise Andreas Baader und Ulrike Meinhof, zentrale Köpfe der RAF, schwerlich als Rechtsextremistin oder Rechtsextremist vorstellbar, auch wenn es immer wieder Beispiele für einen Wechsel zwischen gegensätzlichen extremistischen Positionen gibt.12)

Ferner sind die Kenntnisse und Fähigkeiten wichtig, über die die jeweiligen Personen verfügen, die sich in extremistischen oder terroristischen Gruppen engagieren. Denn bestimmte Fertigkeiten sind letztlich die Grundlage für die Durchführung bestimmter Aktionen. Um das extremistische Geschehen zu verstehen, ist es notwendig, sich auf die Weltsichten der Akteurinnen und Akteure einzulassen. Denn entsprechend dem sog. Thomas-Theorem (benannt nach dem amerikanischen Soziologen Thomas) können wir davon ausgehen, dass es zu realen Konsequenzen führt, wenn ein Mensch eine Situation als real definiert. Dies ist im Protest- und auch Anschlagsgeschehen gegenüber Migrantinnen und Migranten beobachtbar oder wird offenkundig in Terrorakten, die gegen die vermeintlich „Ungläubigen" gerichtet sind. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für die Gestaltung von Präventionsmaßnahmen – es gilt, die subjektive Sicht der Akteurinnen und Akteure zu berücksichtigen, also deren Wirklichkeitskonstruktionen und Deutungsmuster, welche sie zu extremistischen Aktionsformen oder gar Gewalthandlungen bewegen.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

KapitelAbschlussNavigation_Titel