Bühne des Kapitels / Moduls
Linksextremismus
2.3 Phänomene der Politisch motivierten Kriminalität
Inhalt des Kapitels / Moduls
Linksextremismus
von Armin Pfahl-Traughber
Der vorliegende Aufsatz beinhaltet eine komprimierte Darstellung und Einschätzung zum Linksextremismus in Deutschland. Da die Bezeichnung mitunter falsch verstanden wird, soll hier zunächst eine Definition erfolgen: Linksextremismus wird aus der Perspektive der politikwissenschaftlichen Extremismusforschung definiert als „Bezeichnung für alle linksterroristischen Auffassungen und Handlungen, die unter Berufung auf ein Mehr an sozialer Gleichheit die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft negieren“.1)
Es geht also nicht nur um die Kritik am Kapitalismus und auch nicht um jede Art von Forderung nach Sozialismus. So lange Demokratie, Gewaltenverteilung, Individualitätsprinzip, Menschenrechte, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit akzeptiert werden, handelt es sich um legitime Auffassungen innerhalb einer offenen Gesellschaft.
Dieser Beitrag gliedert sich in drei Teile: Zunächst geht es um die Akteurinnen und Akteure, Symbole und Inhalte des Linksextremismus, danach um die Ziele und Motive und schließlich um die Aktionen mit dem Wirken nach innen und außen.
Bei diesen Ausführungen wird in den Fußnoten immer wieder auf weiterführende Literatur hingewiesen, wobei es sich meist nur um exemplarische Informationen zum Weiterlesen handelt. Derartige Angaben dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Forschungslage zum Linksextremismus insgesamt unterentwickelt ist. Es existieren nur wenige Einführungen oder Gesamtdarstellungen, die noch dazu meist veraltet sind.2) Gleiches gilt für Arbeiten zum kommunistischen Bereich des Linksextremismus, der seine Blüte in den 1970er- und 1980er-Jahren hatte.
Danach beschäftigten sich nur noch wenige Forscherinnen und Forscher mit den einschlägigen Organisationen. Zum Linksterrorismus liegen hingegen zahlreiche Veröffentlichungen vor, wobei sie sich meist nur auf die „Rote-Armee-Fraktion“, nicht aber auf die anderen Gruppen beziehen. Auch zu den Autonomen, die es als gewaltorientierte Subkultur immerhin seit Jahrzehnten gibt, existieren nur wenige Studien. Meist stammen sie von früheren Angehörigen oder Sympathisantinnen und Sympathisanten der Szene.
Akteure, Symbole, Inhalte
Die Akteure im Linksextremismus können nach ihrer primären Handlungsform unterschieden werden, wozu organisationspolitische, parteiorientierte, subkulturelle und terroristische Varianten gehören. Der letztgenannte Bereich ist Geschichte und bedarf daher hier keiner größeren Aufmerksamkeit.
Es mögen folgende allgemeine Aus-führungen genügen: Seit Ende der 1960er-Jahre entstanden unterschiedliche linksterroristische Gruppierungen, die mit Anschlägen und Attentaten auf sich aufmerksam machten. Dazu gehörten heute nahezu vergessene Gruppierungen wie die „Antiimperialistischen Zellen“, das „Sozialistische Patientenkollektiv“ oder die „Tupamaros Westberlin“, aber auch bedeutsamere, wie die „Bewegung 2. Juni“, die „Revolutionären Zellen“ oder die „Rote-Armee-Fraktion“.
Da die hier Gemeinten seit Ende der 1990er-Jahre nicht mehr bestehen, kann auch für die Gegenwart nicht von einem existenten Linksterrorismus die Rede sein (auch wenn manche der damaligen Gruppenmitglieder weiterhin frei und unerkannt sind).
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Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul
Fussnoten
1)
Eine ausführliche Erläuterung dazu findet sich in: Pfahl-Traughber 2014a, 15-28.
2)
Vgl. als ältere Gesamtdarstellungen: Langguth 1983; Moreau/Lang 1996; zudem als neuere Gesamtdarstellungen: Bergsdorf/van Hüllen 2011; Pfahl-Traughber 2014.
3)
Dietel/Hirschmann/Tophoven 2006.
4)
Pfahl-Traughber 2014a, 168-170.
5)
Ebd., 167-168.
6)
Ebd., 170-171.
7)
Dietel/Hirschmann/Tophoven 2006; Pfahl-Traughber 2014a, 173-176.
8)
Ebd., 153-165.
9)
Siemens 2007.
10)
Vgl. unter anderem Fülberth 1990; Hirscher/Pfahl-Traughber 2008.
11)
Alle Angaben zu Anhängern oder Mitgliedern linksextremistischer Personenzusammenschlüsse stammen aus den Verfassungsschutzberichten und beziehen sich auf den Stand Ende 2017. Mit guten Gründen kann man ihnen kritisch gegenüberstehen, zumal es sich mitunter nur um allgemeine Schätzungen handelt. Es gibt aber keine andere Datengrundlage dafür.
12)
Vgl. unter anderem van Hüllen 2007; Müller-Enbergs 2008.
13)
Drechseler/Hilligen/Neumann 2003, 627-628 (Maoismus), 937-939 (Stalinismus).
14)
Pfahl-Traughber 2014b.
15)
Langguth 1983; Pfahl-Traughber 2013a.
16)
Langguth 1983, 124-125.
17)
Vgl. unter anderem Pfahl-Traughber 2013b; Pfahl-Traughber 2014a, 111-124.
18)
Vgl. unter anderem Brandt 2017, 69-95; van Hüllen 2014.
19)
Vgl. unter anderem Blank 2019; Pfahl-Traughber 2014a, 131 folgend.
20)
Pfahl-Traughber 2014a, 126 folgend.
21)
Vgl. unter anderem Bundesministerium des Innern 1995; Fraude 2003.
22)
Backes 2017; Decker 2018.
23)
Pfahl-Traughber 2014a, 117-118.
24)
Die Linke; Verfassungsschutzbericht 2017, 159.
25)
Marxistisches Forum; Verfassungsschutzbericht 2017, 158.
26)
Die Linke; Jesse 2011, 83-98.
27)
Backes 2017, 119-135; Verfassungsschutzbericht 2017, 155.
28)
Brandt 2017, 69-95; Verfassungsschutzbericht 2017.
29)
Brandt 2017, 69-95; van Hüllen 2014.
30)
Pfahl-Traughber 2014a, 125 folgend.
31)
Vgl. unter anderem Haunss 2004; Pfahl-Traughber 2017.
32)
Pfahl-Traughber 2014a, 139 folgend.
33)
„Gentrifizierung“ meint die Umstrukturierung von Wohngebieten insbesondere in Großstädten, welche zu einem starken Anstieg von Mieten und damit zum Wegzug von Bewohnern mit geringem Einkommen führt. „Globalisierung“ steht für eine weltweite Wirtschaftspolitik, die auf eine freie Marktwirtschaft mit der Folge von wachsender sozialer Ungleichheit sowohl in den Entwicklungsländern wie in den Industriestaaten setzt.
34)
Vgl. Baron 2016; ansonsten hat sich die Extremismusforschung noch nicht mit diesem Phänomen beschäftigt.
35)
Pfahl-Traughber 2014a, 136 folgend.
36)
Baron 2017.
37)
Haunss 2008, 447-474.
38)
Vgl. Pfahl-Traughber 2014a, 29-68.
39)
Vgl. Pfahl-Traughber 2011, 163-182; Pfahl-Traughber 2014a, 181-194.
40)
Vgl. unter anderem Bigalke 2004; Hanloser 2004.
41)
Drechseler/Hilligen/Neumann 2003, 632-633.
42)
Ebd., 627-628 (Maoismus) und 937-939 (Stalinismus).
43)
Brandt 2017, 69-95.
44)
Der Anspruch geht aber bei der DKP nicht mit der Realität einher. Bereits seit Jahren gibt es einen Konflikt zwischen zwei Strömungen: Während die einen sich den jeweils neuen Protestbewegungen stärker öffnen wollen, beharren die anderen auf der Orientierung an der traditionellen Arbeiterpartei. Damit einhergehende Kontroversen beschränken die politischen Wirkungsmöglichkeiten der Partei.
45)
Vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Abteilung Verfassungsschutz 2009, 2015.
46)
Interventionistische Linke 2019.
47)
Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 2016, 13.
48)
Ebd., 16.
49)
Vgl. Bergsdorf/van Hüllen 2011, 34.
50)
Vgl. Galtung 1982; Marcuse 1966.
51)
Vgl. Baron 2016.
52)
Vgl. ebd. 72 ff.
53)
Interventionistische Linke 2019.
54)
Mit Beginn der 1990er Jahre bildete sich mit den sogenannten Antideutschen eine neue Strömung innerhalb des autonomen Spektrums heraus, die sich gegen einen vermeintlichen deutschen Nationalismus wandte. Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung befürchteten ihre Aktivistinnen und Aktivisten ein Erstarken des Nationalismus innerhalb der vereinigten Bundesrepublik und eine Rückkehr zum Nationalsozialismus. Im Zuge der Golfkriege von 1990 und 2003 solidarisierten sie sich bedingungslos mit dem Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA, woraufhin es zum Bruch mit den übrigen Autonomen kam.
55)
„ums Ganze!“ 2018a.
56)
Ebd.
57)
"ums Ganze!" 2018b.
58)
Interventionistische Linke 2018.
59)
Dem Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zufolge weisen die postautonomen Strukturen von IL und uG einen Mitgliederstand von rund 1.330 Personen auf, während die Gesamtheit der „Autonomen“, bzw. der „gewaltorientierten Linksextremisten“ mit rund 7.400 Personen angegeben wird. Vgl. Verfassungsschutzbericht 2018, 118 ff.
60)
Baron 2016, 78.
61)
Lethen 2012, 18.
62)
Ebd.
63)
Groh 1973, 59.
64)
DSAN 2015.
65)
Zweiter Mai 2016.
66)
Vgl. Wennerhag/Jämte, 19.
67)
Kapser 2018, 85.
68)
Ebd., 97f.
69)
Ebd., 155.
70)
Thesen zur autonomen Bewegung von 1981 (ebenso zwei bearbeitete Varianten der 1980er- und 1990er-Jahre), zit. nach: Kongreßlesebuchgruppe 1995, 276.
71)
Vgl. Haunss 2013, 26-42.
72)
Thesen zur autonomen Bewegung von 1981, zitiert nach: Kongreßlesebuchgruppe 1995, 275.
73)
Vgl. Haunss 2013, 27.
74)
DSAN 2014.
75)
Autonome L.U.P.U.S-Gruppe 1987, 17.
76)
Ebd., 11.
77)
Ebd., 19.
78)
Vgl. Haunss 2004, 134.
79)
Ebd., 137 und 139.
80)
Vgl. Autonome Antifa (M) 1994.
81)
Hinter der Formel „revolutionärer Antifaschismus“ verbirgt sich die Vorstellung eines Antifaschismus, der seine Aufgabe nicht nur in einer Zurückdrängung der extremen Rechten sieht, sondern sich dem Kampf gegen das Bündel gesellschaftlicher Verhältnisse (Kapitalismus, Rassismus, Sexismus etc.), die angeblich Faschismus ermöglichen, verschrieben hat. Vgl. Keller 2011, 95 ff.
82)
AK Wantok 2010, 199.
83)
Ebd., 209.
84)
Interventionistische Linke 2014, 19.
85)
Bernhardt 2019.
86)
Interventionistische Linke a.
87)
Interventionistische Linke b.
88)
Baron 2017.
89)
Vgl. Grigat 2007.
90)
Vgl. Kirsche-Humboldt, in: taz vom 20.05.2017.
91)
So heißt es bspw. im IL Zwischenstandspapier: „Notwendiger Bestandteil einer solchen radikalen Transformation ist der revolutionäre Bruch, dem wiederum viele kleine Brüche, die entlang von Kämpfen stattfinden, vorausgehen und folgen. Um den Weg zu einer befreiten Gesellschaft freizumachen, braucht es die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und der Kapitalverwertung, auf denen die ökonomische Macht basiert, und die Überwindung des bürgerlichen Staatsapparates als Garant dieser Eigentumsordnung.“, IL- Zwischenstandspapier, 29.
92)
Baron 2016, 71 folgend.
93)
Interventionistische Linke c.
94)
Baron 2016, 72.