Bundeskriminalamt (BKA)

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Mit diesem Kapitel wird das Augenmerk auf die Prävention des in den vorangegangenen Abschnitten detailliert beschriebenen Phänomens extremistischer Gewalthandlungen gerichtet.

In der Prävention geht es darum, einen Radikalisierungsprozess erst gar nicht entstehen zu lassen bzw. ihn möglichst frühzeitig zu erkennen und zu unterbrechen. Für den zielgenauen Einsatz von Präventionsmaßnahmen ist ein theoretischer Rahmen notwendig. Erläutert werden in diesem Kapitel (5) die universelle, die selektive und die indizierte Prävention in Abgrenzung zu anderen Systematiken. Dabei unterscheiden sich die Präventionsangebote nach der jeweils angesprochenen Zielgruppe.

Vertieft wird in diesem Artikel die universelle Prävention. Der Unterschied zu allgemeinen Fördermaßnahmen liegt darin, dass in der universellen Prävention das Ziel in der Verhinderung unerwünschter Zustände liegt. Bestimmten Problematiken wird im Idealfall mit nachweislich wirkungsvollen Maßnahmen begegnet. Dies erfolgt in bestimmten Teilgruppen der allgemeinen Bevölkerung, bei deren Auswahl besondere Auf- oder Anfälligkeiten keine Rolle spielen, z. B. Kinder einer bestimmten Altersgruppe.

Kommunale Präventionsräte1)

sind Gremien, in denen Akteure aus der Kommunalverwaltung, Zivilgesellschaft und Polizei zusammenarbeiten, um Maßnahmen und Strategien aufeinander abzustimmen. Kommunale Präventionsräte existieren in Deutschland in sehr unterschiedlichen Strukturen, Formen und Aufgabenbeschreibungen.

Für die Umsetzung der universellen Prävention eignet sich besonders eine ressortübergreifende Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen im Sinne eines „Präventions-Mainstreamings“. Um diese Akteure zu beraten, zu schulen und zu unterstützen, sind übergreifende Gremien geeignet, wie z. B. Präventionsräte auf kommunaler und Landesebene. Nach dieser theoretischen Einordnung wird die universelle Prävention im Be reich des Extremismus, insbesondere des Rechtsextremismus, ausgeführt. Die Inhalte dieser Präventionsansätze orientieren sich an den wissenschaftlich nachgewiesenen Risiko- und Schutzfaktoren für Radikalisierungsprozesse. Abschließend werden konkrete Handlungsempfehlungen benannt, wie z. B. die Ermöglichung positiver Erfahrungen mit sozialer Vielfalt oder die Förderung von bestimmten Sozialkompetenzen.

Einleitung

In diesem Beitrag wird der Begriff der „universellen Prävention“ zunächst im allgemeinen Feld der Gewalt- und Kriminalprävention ohne einen Bezug zu einem spezifischen Bereich wie Radikalisierung oder Extremismus hergeleitet und definiert, um im anschließenden Abschnitt über die universelle Prävention von Radikalisierung auf diesen allgemeinen Begriff Bezug nehmen zu können. Für die Konkretisierung erscheint es zudem notwendig, auf die Akteure der universellen Prävention einzugehen. Gleichzeitig werden die Abgrenzungsprobleme zu anderen Arten der Prävention benannt, und die Reichweite der universellen Prävention wird kritisch diskutiert.

Grundsätzlich ist zunächst hervorzuheben, dass es bei der hier vorgenommenen Betrachtung bislang vorliegender Definitionsansätze nicht um eine Beurteilung im Sinne von „richtig“ oder „falsch“ geht, sondern darum, wie brauchbar und nützlich sie auch in der Praxis für die Ein- und Abgrenzung von präventiven Maßnahmen sind. Zu bedenken ist ferner, dass die Einteilung von Präventionsbereichen und damit auch die Kategorisierung, welche Maßnahmen überhaupt zur Prävention gehören und welche nicht, immer auch mit Interessen verbunden ist. Gerade beim Begriff der universellen Prävention ist die Abgrenzung nicht ganz einfach. Die Kategorisierung hat jedoch oft einen direkten Einfluss auf den Zugang zu finanziellen Mitteln und Fördertöpfen und ist damit von besonderer Wichtigkeit.

Außerdem werden gesellschaftliche Entwicklungen immer wieder zu einer Weiterentwicklung auch der Definitionen und Einteilungen führen. Die hier geführte Debatte um die Definition und Klassifikation von Prävention ist daher nicht abschließbar, sondern muss immer wieder neu geführt werden.

Im Vordergrund steht also die Entwicklung einer „Arbeitsdefinition“, bei der die Nützlichkeit und Brauchbarkeit für die Praxis zu betonen sind. Es geht um eine Orientierungshilfe, damit sich so etwas wie eine „gemeinsame Sprache“ entwickeln kann, sodass für jeden verständlich ist, was mit bestimmten Begriffen gemeint ist.

Zur Entwicklung des Begriffs der Universellen Prävention

In der Regel wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention2) oder zwischen universeller, selektiver und indizierter Prävention3) unterschieden. Diese Unterteilungen wurden ursprünglich im Bereich der Medizin bzw. im Fachgebiet Public Health entwickelt und anschließend auch von Seiten der Kriminologie übernommen.4)

Ein weiteres zu benennendes Klassifikationsbegriffspaar ist das der Verhaltens- und der Verhältnisprävention, mit dem die Ausrichtung der Maßnahmen auf das Individuum selbst einerseits und die Veränderung der individuellen Lebensumstände anderseits differenziert werden. In den folgenden Ausführungen gehen wir davon aus, dass beide Ausrichtungen beim Verständnis von universeller Prävention mitgedacht sind. In der Medizin findet sich dazu auch der Begriff der Primordialprävention, mit der die Veränderung von gesellschaftlichen Risikofaktoren bezeichnet wird. In der Präventionspraxis gehen diese Bereiche zumeist eng zusammen, weshalb diese Differenzierung rein analytisch bleibt. Im Bereich der Kriminalprävention ist die „klassische“ Unterteilung (primäre, sekundäre und tertiäre Prävention) nach Caplan inzwischen recht verbreitet. Sie ist u. a. auch in §§ 20-24 SGB V festgeschrieben und orientiert sich am Zeitstrahl in Bezug auf das Ereignis einer kriminellen Handlung und lässt sich folgendermaßen darstellen:

 BegriffZeitraumZielsetzungRiskio-
einschätzung
Primäre Präventionweit vor dem EreignisVerhinderung des Auftretenskein erhöhtes Risiko
Sekundäre Präventionnahe dran am EreignisVerhinderung der Verschlimmerungerhöhtes Risiko
Tertiäre Präventionnach dem EreignisVerhinderung des Rückfallshohes Risiko
Abbildung 1: Einteilung nach Caplan 1964

Festzustellen ist allerdings, dass von verschiedenen Autorinnen und Autoren die Begriffe zwar genutzt, jedoch teilweise unterschiedlich gedeutet werden. Insbesondere wird die sekundäre Prävention auch mit situativer Prävention gleichgesetzt, welche auf die Reduzierung von Tatgelegenheiten abzielt.5) Es existiert somit keine einheitliche und klare Definition.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur