Bundeskriminalamt (BKA)

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Prävention von Extremismus kann in erster Linie als Förderung von demokratischen Prozessen und Werten verstanden werden. Impliziert wird damit die Aufgabe der fortwährenden gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierung, dass die demokratische Staatsform keineswegs ein statischer und für alle Zeit gesicherter Zustand ist; nur die stetige Pflege und Wahrung der demokratischen Werte und Kultur schützt längerfristig vor demokratiefeindlichen Bestrebungen. Vor diesem Hintergrund haben sich auf Länderebene in den letzten Jahren zahlreiche staatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen und Angebote im Bereich der Extremismusprävention etabliert. Diese reichen von generellen Maßnahmen zur demokratischen Wertevermittlung für alle Bevölkerungsgruppen über spezifische Beratungsangebote für Betroffene von extremistischen Übergriffen, Eltern, schulische und außerschulische Institutionen sowie Kommunen bis hin zur konkreten Arbeit mit Ausstiegswilligen.1)

Extremismusprävention hat sich an den Ursachen für das Entstehen von Extremismus im weitesten Sinne zu orientieren. Jedem Extremismus geht eine mehr oder weniger lange Phase der Radikalisierung voraus. Für die Prävention bedeutet dies, dass an unterschiedlichen Stellen angesetzt werden kann, um entweder bereits durch Immunisierung eine mögliche Radikalisierung zu verhindern, durch distanzschaffende Maßnahmen eine beginnende Radikalisierung zu stoppen oder durch Deradikalisierungsmaßnahmen eine schon verfestigte Radikalisierung wieder aufzulösen. Dabei gilt generell, dass Prävention umso erfolgversprechender ist, je früher eine beginnende Radikalisierung festgestellt wird und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden:2)
„Wir müssen also wachsam und achtsam sein, um erste Zeichen einer Radikalisierung bei jungen Männern und Frauen zu erkennen. Je frühzeitiger man auf sie zugeht, desto eher kann man weitere Gefährdungen verhindern“.3)

Insoweit umfassen Präventionsmaßnahmen in diesem Kontext Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Dies bedeutet: Maßnahmen der Extremismusprävention müssen in den unterschiedlichsten Kontexten mitgedacht werden. Überall dort, wo es um mögliche Einflussnahme auf Menschen, auf Kinder/Jugendliche/Heranwachsende geht – online oder im realen Leben –, wo Radikalisierung für Beteiligte erkennbar sein kann, wo es um politische Bildung im weitesten Sinne geht, wo es um jugendpädagogische bzw. jugendsozialarbeiterische Maßnahmen geht und überall dort, wo es um die Deradikalisierung und Reintegration in unsere Gesellschaft geht, ergeben sich Handlungsbedarfe.

Aus dieser Situationsanalyse lässt sich ableiten, wie weit gefächert das Feld der Extremismusprävention ist, wie unterschiedlich die einzelnen Bedarfe sind, wie unterschiedlich die jeweils erforderlichen Maßnahmen sind und wie groß die Herausforderung der Bewältigung dieser Aufgabe ist.

Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen für alle Bereiche extremistischer Phänomene, seien es Rechts- oder Linksextremismus bzw. religiös begründeter Extremismus, zu initiieren.
Folglich ist eine Vielzahl von Behörden, Ministerien, staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, Institutionen, Trägern, Vereinen, Schulen etc. betroffen bzw. beteiligt.
Aus dieser vielfältigen Bedarfslage erwächst ein enormer Koordinierungsbedarf und Koordinierungsaufwand, wenn die Maßnahmen zielgerichtet und aufeinander aufbauend wirken sollen.

Es ist insoweit – bezogen auf das jeweilige Bundesland – eine Organisation erforderlich, die – in Kenntnis der verschiedensten Bedarfslagen – entsprechende Hilfestellungen bzw. geeignete Maßnahmen initiiert und gegebenenfalls durch finanzielle Unterstützung entsprechender zivilgesellschaftlicher Träger diese Hilfen/Maßnahmen für die Bedarfsträger bereitstellt und vermittelt.
Idealerweise sollte diese Organisationseinheit auf ministerieller Ebene angesiedelt sein und per Kabinettsbeschluss mit der Aufgabenstellung der zentralen Koordinierung der Extremismusprävention beauftragt werden. Dadurch lassen sich die vorhandenen Zuständigkeitsgrenzen zwischen den Ressorts zwar nicht beseitigen, aber es wird der Wille der jeweiligen Landesregierung zu einem koordinierenden Vorgehen zum Ausdruck gebracht.
Durch die Verortung der Koordinationsstelle in einem Ministerium ergibt sich eine Reihe von Vorteilen bei der Bewältigung der gestellten Aufgaben. Beispielsweise lässt sich so auf Augenhöhe mit den anderen beteiligten Ressorts arbeiten und verhandeln.

Mindestens die folgenden Ressorts haben in der Extremismusprävention eigene Zuständigkeiten:

Das Kultusressort ist zuständig für die Schulen des jeweiligen Bundeslandes, die für die Radikalisierungsprävention elementar wichtige Orte darstellen. Für die Präventionsarbeit sind dort ideale Voraussetzungen gegeben, da in der Schule Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Schichten, Kulturen, Religionen und Ethnien für einen relativ langen Zeitraum beständig zusammenkommen. Für Extremisten sind junge Menschen eine Hauptzielgruppe, denn diese sprechen gezielt alterstypische Faktoren wie etwa die Suche nach einer eigenen Identität sowie nach dem Lebenssinn an und versprechen Orientierung.4) Pädagogische Maßnahmen in den Schulen zielen im Bereich der Extremismusprävention insbesondere darauf, bestehende erwünschte Haltungen zu stärken. Die Vermittlung von Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen und Wertvorstellungen steht im Vordergrund. Neben der schulischen politischen Bildung gehört die Stärkung demokratischer Werte und Haltungen schulform- und fächerübergreifend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schulen, so dass es erst gar nicht zu Radikalisierungsprozessen kommt. Die Schulen sind darüber hinaus ein wichtiger Ort, an dem Bildungs- und Integrationsarbeit mit Flüchtlingen stattfindet. Da Flüchtlinge gerade aufgrund ihrer persönlichen Situation anfällig für Radikalisierungstendenzen sein könnten, kommt der schulischen Extremismusprävention eine besondere Bedeutung zu. In unmittelbarem Bezug auf den religiös begründeten Extremismus ist ferner der Islamische Religionsunterricht bedeutungsvoll. Denn auch wenn Radikalisierungsprävention nicht das Hauptaufgabenfeld ist, so erlernen die Schülerinnen und Schüler idealerweise die religiösen Grundlagen des Islam und wie religiöse Texte und Quellen (auch) kritisch zu reflektieren sind.

Das Sozialressort ist unter anderem zuständig für den Kinder- und Jugendschutz, für Jugendhilfeeinrichtungen, außerdem für Flüchtlinge und deren Integration sowie generell für die Integration von Ausländern in unsere Gesellschaft. Ähnlich wie Schulen bietet die Jugendhilfe ideale Voraussetzungen, Radikalisierungstendenzen möglichst frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzutreten: Aufgrund der kontinuierlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen leisten Jugendhilfeeinrichtungen langjährige Beziehungs- und Unterstützungsarbeit vor Ort. Im Rahmen dieser individuellen Hilfeleistungen sind die Mitarbeitenden von Jugendhilfeeinrichtungen sensibilisiert für jegliche Veränderungen ihrer Schützlinge – auch für solche, die auf eine beginnende Radikalisierung hindeuten könnten wie beispielsweise der Rückzug von der Familie und aus dem (alten) Freundeskreis, veränderter Kleidungsstil sowie die Äußerung extremistischer politischer bzw. weltanschaulicher Haltungen.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen