Bundeskriminalamt (BKA)

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Der über die Jahre gewachsene Erfahrungsschatz der Rechtsextremismusprävention dient jedoch ohne Frage als solide Basis, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn es darum geht, neueren Erscheinungsformen des Extremismus vorbeugend zu begegnen.

So sind ausgehend von der stetig wachsenden Bedeutung des religiös begründeten Extremismus (Islamismus/Salafismus) seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA25) vielfältige Präventionsangebote parallel zu rechtspräventiven Angeboten entstanden. Insbesondere nach dem Anstieg der Ausreisen aus Deutschland in die Krisengebiete Syriens und des Irak konnte so auf eine neue Herausforderung reagiert und ein auffallend klar definiertes, umfangreiches und vielfältiges Angebotsspektrum entwickelt werden, das – obwohl noch im Wachstum begriffen – schon heute eine auffallend gute Struktur und Angebotsbreite aufweist. Bei nicht wenigen der heute mit dem Islamismus befassten Vorreiter innerhalb der Prävention handelt es sich um solche, die in der Vergangenheit im Rahmen der Rechtsextremismusprävention aktiv waren und dort Erfahrungen gesammelt haben.

Als eine Besonderheit fällt auf, dass im Rahmen der Islamismusprävention deutlich häufiger das soziale Umfeld Betroffener – insbesondere die Familie sowie religiöse Gemeinschaften – angesprochen wird, als dies in den anderen Phänomenfeldern der Fall ist. Die herausragende Bedeutung engerer Bezugspersonen im Rahmen präventiver Arbeit wurde bereits in einer 2016 durch die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus durchgeführte Expertenbefragung mit Vertretern unterschiedlicher Projekte aus der Präventionspraxis deutlich.26) Dem sozialen Umfeld kommt hierbei hauptsächlich die Rolle eines gut funktionierenden „Alarmsystems“ zu, welches auch aufgrund persönlicher Ängste (Ausreise eines Kindes, Märtyrertod o. ä.) deutlich früher Beratung und Hilfe sucht und somit wichtiges Bindeglied zwischen Präventionsanbieter und (potenziell) radikalisierter Person ist.

Anders als bei der Rechtsextremismusprävention, wo die Ausstiegshilfe mit 5 % einen eher geringen Anteil ausmacht, nehmen Ausstiegs- und Distanzierungsangebote in der Islamismusprävention derzeit einen deutlich höheren Stellenwert ein (11 %).

Unterschiede zwischen der Rechtsextremismus- und Islamismusprävention betreffen außerdem die geographische Verteilung und die jeweilige Organisation. Während die Islamismusprävention stärker auf sog. „Hot Spots“ islamistischer Radikalisierung ausgerichtet ist, sind Angebote zur Vorbeugung des Rechtsextremismus insgesamt geographisch besser verteilt. Zudem liegt im Bereich der Islamismusprävention ein etwas größerer Anteil an Maßnahmen in staatlicher Trägerschaft.

Die immer noch wachsende gesellschaftliche Bedeutung des religiös begründeten Extremismus, die nicht zuletzt auch durch die Medien gepuscht wird, spiegelt sich auch in der Präventionslandschaft wider: Während sich in 2014/2015 nur etwa jedes siebte Projekt (15 %) diesem Arbeitsfeld widmete, beschäftigt sich in 2018 bereits ein Drittel aller Angebote (32 %) mit dem Thema – Tendenz weiterhin steigend. Besonders beeindruckend ist diese Entwicklung, da sie nicht mit dem tatsächlichen Straftatenaufkommen Politisch motivierter Kriminalität (PMK) korrespondiert. Hier nahm religiös motivierte Kriminalität im Jahr 2017 mit 3 % am Gesamtaufkommen eine eher nachrangige Rolle ein, auch wenn im Vergleich der Vorjahre ein geringer Anstieg zu verzeichnen war (s. u.).

Ein weiterer offensichtlicher Widerspruch zwischen Kriminalitätsdaten und Präventionsangeboten zeichnet sich auch im Bereich der Linksextremismusprävention ab. Zwar wird das Fallzahlenaufkommen Politisch motivierter Gewaltkriminalität von linksmotivierten Straftaten dominiert (52 %), bei der Prävention nimmt die Vorbeugung des Linksextremismus jedoch nur eine nachrangige Rolle ein (7 %). Dass die Bedeutung des Themas – insbesondere nach der Gewalteskalation anlässlich des G20-Gipfels in 2017 – jedoch gestiegen ist, belegt die tatsächliche Anzahl linkspräventiver Maßnahmen, die sich in den vergangenen drei Jahren nahezu vervierfacht hat.

Linksextremismusprävention unterscheidet sich von den anderen Phänomenbereichen insbesondere dadurch, dass sie den größten Anteil bundesweiter Projekte (36 %) und einen deutlich herausragenden Anteil staatlicher Angebote aufweist (87 %). Das sichtbar vorhandene Defizit an landesweiten und lokalen Angeboten wird hierüber abgemildert. Eine genauere Betrachtung der präventiven Angebote im Bereich Linksextremismus lässt deutlich werden, dass es sich hierbei in großen Teilen um Angebote der Kategorie Informationsmaterial handelt (34 %), was bedeutet, dass hier weniger einzelfallorientierte Arbeit geleistet wird, als dies in den anderen Phänomenbereichen der Fall ist.

Neben Islamismus-, Links- und Rechtsextremismusprävention gibt es auch Angebote, die allgemein Einstellungen und Verhaltensweisen, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung konform gehen, entgegenwirken (62 %), ohne sich dabei auf eine ideologische Richtung festzulegen (allgemein extremismuspräventive Angebote). Solche Angebote haben in erster Linie einen universell-präventiven Charakter und richten sich fast ausschließlich an Fachpersonal sowie breite Teile der Gesamtbevölkerung. Ausstiegsberatung existiert hier so gut wie nicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Ausstieg eine langwierige, individuell zu gestaltende Arbeit erfordert, die nicht komplett losgelöst von etwaigen Besonderheiten der unterschiedlichen ideologischen Umfelder erfolgen kann.

Angebote, die allgemeine Extremismusprävention beinhalten, sind vorrangig lokal oder landesweit tätig und stärker von zivilgesellschaftlichen Trägern  (58 %) getragen, als dies in den spezifischen Phänomenbereichen der Fall ist. Etwa ein Drittel (30 %) der allgemein extremismuspräventiven Angebote dient in erster Linie der Demokratieförderung; der größte Teil (70 %) setzt sich jedoch ergänzend einen konkreten phänomenologischen Schwerpunkt – überwiegend mit Blick auf den Rechtsextremismus (64 %) gefolgt vom islamistischen Extremismus (28 %).

Abschließend gibt es noch Angebote, die konkrete Phänomene betrachten, aber nicht den Feldern Rechts-, Linksextremismus oder Islamismus zugeordnet werden können (sonstige Extremismusarten). Der Anteil dieser Projekte liegt bei 10 % und umfasst Themen wie beispielsweise türkischen Nationalismus und Linksextremismus, die PKK sowie die Reichsbürger/Selbstverwalter-Problematik, die auch teilweise Schnittmengen zum Rechtsextremismus aufweist.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen