Bundeskriminalamt (BKA)

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Exkurs - Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, bezeichnet die Polizei zusammengefasst als Politisch motivierte Kriminalität (PMK). Ausgehend von Motivlage und Tatumständen werden politisch motivierte Taten entsprechenden Themenfeldern und Unterthemen zugeordnet und die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung abgebildet. Als extremistisch werden diese eingestuft, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind (nach Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2018). Konkret werden in diesem Kapitel die Bereiche PMK -rechts-, PMK -links- und PMK -religiöse Ideologie- betrachtet.

In Deutschland wird die PMK über den „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst. Aufgrund des besonderen politischen Interesses werden Straftaten hier, anders als bei der „Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)“, bereits beim ersten Anfangsverdacht und somit im Jahr des Geschehens erfasst und bei neuen Ermittlungserkenntnissen aktualisiert (sog. Eingangsstatistik). Die erfassten Fälle bilden das Hellfeld politisch motivierter Straftaten ab und lassen innerhalb der Bevölkerung keine Schlussfolgerungen über radikale oder extremistische Einstellungen zu, die losgelöst von den Straftaten auftreten, die den Behörden bekannt werden.

Die gemeinsame Betrachtung von Präventionsangeboten und dem Fallzahlenaufkommen im Bereich der PMK soll hier nicht als eine „Angebots-Bedarfs-Analyse“ verstanden werden. Einerseits ist die Anzahl vorhandener Präventionsangebote allein noch kein Beweis für die Qualität und die Deckung des Präventionsbedarfs, andererseits bliebe unberücksichtigt, inwiefern bzw. mit welchem Zeitverzug präventives Handeln auf messbare Veränderungen des Präventionsgegenstandes (hier: PMK) reagiert oder aber die Prävention zu einem Absinken der Fallzahlen führt und so ggf. dann einem geringeren Bedarf gegenüberstünde. Dennoch kann das Fallzahlenaufkommen im Bereich der PMK orientierend herangezogen werden. Im Folgenden soll eine erste Orientierung gebende Sichtung möglicher Zusammenhänge zwischen Fall- und Präventionsaufkommen getätigt werden.

Mit einem Anteil von 52 % am Gesamtfallzahlenaufkommen nimmt Politisch motivierte Kriminalität - rechts - einen deutlich höheren Stellenwert ein, als die Bereiche Links (25 %) oder religiöse Ideologie (3 %; vgl. Abb. 4).

Das Kreisdiagramm zur Verteilung d. Gesamtaufkommens politisch motivierter Kriminalität (PMK) 2017 hat folgende Verteilung: politisch motivierter Kriminalität 52% Rechts, 25% Links, 3% religiöse Ideologie, 4% ausländische Ideologie, 16% nicht zuzuordnen.

Das Straftatenaufkommen speziell im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität (PMK-G) verteilt sich zu 52 % auf den Bereich Links, zu 30 % auf Rechts und zu 2 % auf die religiöse Ideologie (vgl. Abb. 5).

Der überwiegende Anteil (64 %) präventiver Bemühungen widmet sich der Prävention von Rechtsextremismus (davon jeweils ungefähr zur Hälfte staatliche und zivilgesellschaftliche Angebote). Hiermit liegt der relative Anteil rechtspräventiver Angebote höher als der Anteil rechtsmotivierter Straftaten an der PMK im Jahr 2017 (52 %) sowie der politisch motivierten Gewaltkriminalität (30 %), die im Wesentlichen von linksmotivierten Straftaten dominiert wird (52 %).

Das Kreisdiagramm zur Verteilung des Gesamtaufkommens politisch motivierter Gewaltkriminalität (PMK-G) in 2017 enthält folgende Verteilung: Rechts: 30%, Links: 52%, Religiöse Ideologie: 2% ,Ausländische Ideologie: 6% , Nicht zuzuordnen: 9%.

Bei der Islamismusprävention kann man feststellen, dass sie trotz ihres geringen Anteils am Straftatenaufkommen 2017 (3 %) von 32 % der hier erhobenen Angebote adressiert wird und dementsprechend einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt, als linkspräventive Angebote, die nur einen Anteil von 7 % an allen Präventionsangeboten haben. Dies fällt vor allem in Anbetracht der Tatsache ins Auge, dass die Politisch motivierte Kriminalität (PMK) im Bereich Links 2017 (25 %) im Vergleich zur PMK-religiöse Ideologie (3 %) einen viel größeren Anteil an der PMK insgesamt einnimmt, vor allem aber im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität (52 %) noch vor der PMK-rechts (30 %) den größten Anteil ausmacht.

Der Abgleich von Zahlen zum Fallzahlenaufkommen PMK und Präventionsangeboten wirft einige Fragen auf. Besteht im Bereich der Linksextremismusprävention ggf. eine Unterversorgung? Die im Rahmen des EPA erhobenen Daten deuten darauf hin, dass das linksgerichtete Personenpotenzial mit den vorhandenen Präventionsangeboten kaum abgedeckt bzw. erreicht wird, was u. a. durch das vergleichsweise hohe Aufkommen an linksmotivierten Gewaltdelikten naheliegt.

Letzteres ist ggf. auch Ausdruck des Umstandes, dass das Gros der wenigen Linkspräventionsangebote sich in die Kategorie Beratung, Vernetzung, Infomaterial und Fortbildung einordnen lässt. Selten handelt es sich um Projekte, die explizit direkte Beratungskontakte mit Betroffenen vorsehen. Die im Rahmen von EPA erhobenen Informationen lassen eine nähere Bewertung nicht zu – hierzu bedürfte es weitergehender Forschung, um entsprechende Wirkzusammenhänge besser einordnen und ggf. verstehen zu können.

Ähnlich verhält es sich mit dem Bereich PMK-ausländische Ideologie (4 %), für den nur ein äußerst geringes Angebot an Präventionsmaßnahmen zur Verfügung steht, obwohl das tatsächliche Fallzahlenaufkommen höher ist als das im Bereich Islamismus, wo ein vergleichsweise großes Angebot besteht.

Im Ost-West-Vergleich zeigt sich, dass etwas mehr als die Hälfte der erfassten Präventionsangebote ausschließlich im Osten (51 %) zu finden ist. Da Ostdeutschland nur knapp 20 % der Bundesbevölkerung auf sich vereint, deutet die Angebotsverteilung darauf hin, dass sich dort deutlich intensivere Präventionsbemühungen finden lassen.

Unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl fällt auf, dass dies tendenziell im Einklang mit dem dort nachweislich höheren Aufkommen an PMK im Allgemeinen sowie politisch motivierter Gewaltkriminalität (PMK-G) im Speziellen steht. Die Anzahl der Fälle Politisch motivierter Kriminalität pro 100.000 Einwohner war im Jahr 2017 in Ostdeutschland fast dreimal so hoch wie in Westdeutschland. Auch eine Betrachtung der Verteilung der Präventionsangebote pro 100.000 Einwohner zeigt ein Verhältnis zugunsten des Ostens, wo etwas über viermal so viele Angebote durchgeführt werden, wie in Westdeutschland.

Auch wenn das grobe Verteilungsmuster der Präventionslandschaft als positiv zu bewerten ist, lässt es keine Aussagen zur Abdeckung des tatsächlichen (vor allem auch regionalen) Bedarfs an Präventionsmaßnahmen zu. Eine detailliertere Betrachtung der PMK wirft, durch den deutlich hervorstechenden Anteil politisch motivierter Gewaltkriminalität im Bereich Links sowie dem zurückstehenden Straftatenanteil im Bereich des Islamismus, jedoch berechtigterweise die Frage auf, ob es ganz allgemein einer Optimierung bzw. Stärkung präventiver Bemühungen bedarf.

Obwohl die Linksextremismusprävention im politischen und gesellschaftlichen Ansehen gestärkt werden muss, ist eine Verschiebung zugunsten oder zulasten eines anderen Phänomens nicht sinnvoll. Besser wäre ein Ausbau ganz allgemein verhaltensorientierter Prävention zur Vorbeugung von Gewalt. Dies verspricht auch den größten Erfolg, was das Erreichen der linken Zielgruppe betrifft. Grundsätzlich sind „linke Themen“ wie Ökologie, Globalisierungskritik und Antifaschismus außerhalb des extremistischen Spektrums anschlussfähiger als beispielsweise nationalistische/rechtsextreme Themen.

Dementsprechend ist die ideologisch-phänomenspezifisch orientierte Präventionsarbeit in diesem Bereich viel schwieriger als die Konzentration auf bestimmte Verhaltensweisen (Begehung von Straftaten, Ausüben von Gewalt), die im Allgemeinen geächtet sind. Ein positiver Seiteneffekt wäre, dass ein solches Vorgehen durch seinen phänomenübergreifenden Ansatz gleichzeitig auch den anderen Phänomenbereichen zugutekäme.

Für die Vorbeugung aller Extremismusphänomene bleibt unklar, inwiefern es hier zu einer Fehlverteilung kommen kann, da durch die Medienberichterstattung und politisches Agieren (etwa durch Mittelzuweisungen) immer auch die Gefahr besteht, bestimmte Bereiche durch eine Über- oder Unterschätzung auf- oder abzuwerten. So wird über die Verstärkung präventiver Maßnahmen oft erst nach konkreten Ereignissen nachgedacht. Setzt man aber anlassunabhängig und weitsichtig vorbeugende Akzente, führt das zu dem grundsätzlichen Dilemma, dass der konkrete Erfolg von Prävention, die im Vorfeld möglicherweise eine Radikalisierung oder Straftaten verhindert, schwer messbar ist.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen