Bundeskriminalamt (BKA)

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Aktuelle Entwicklungen – Schwerpunkte und Trends


Um am Puls der Zeit zu arbeiten, nimmt Prävention immer wieder aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Trends auf, wodurch es zu thematischen Schwerpunktsetzungen kommt. Im Jahreszeitraum 2018 genossen die beiden Themen Migration und Medienkompetenz besondere Aufmerksamkeit.

Schon gewusst?

Ob die gezielte Ansprache von Migrantinnen und Migranten in der Prävention sinnvoll oder eher risikobehaftet ist, ist unklar. Kritiker führen an, die Vorannahme, diese Bevölkerungsgruppe bedürfe spezieller Konzepte, begünstige ggf. im Sinne des Etikettierungsansatzes Radikalisierungsprozesse im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Vielmehr sei anzuraten, durch besondere Förderung und Unterstützungsmaßnahmen die persönliche Situation der Betroffenen (z. B. Fluchtursache, kulturelle/sprachliche Barrieren, Unterkunftssituation, Dauer des Asylverfahrens) zu verbessern, um eine weitgehende Stabilisierung ihrer Lebenssituation zu erreichen und so einer gesteigerten Anfälligkeit, für eine etwaige Ansprache durch extremistische Propaganda bzw. Personen vorzubeugen.

Die Anzahl an Angeboten, die das Thema Migration aufgreifen (40 %) hat sich gegenüber den Vorjahren in allen Phänomenfeldern, d. h. sowohl beim religiös begründeten, als auch rechts- und linksorientierten Extremismus, deutlich erhöht. Ausschlaggebend hierfür waren die großen Flüchtlingszuströme in den Jahren 2015/2016, die seither das am häufigsten aufgegriffene Thema innerhalb der rechten Szene in Deutschland darstellen. Ausgelöst hierdurch lassen sich auch innerhalb der linken Szene fortgesetzt Aktionen gegen den politisch rechten Gegner, polizeiliche Einsatzkräfte sowie Politikerinnen, Politiker und Unternehmen feststellen, die für die aktuelle Asylpolitik verantwortlich gemacht werden.27)

Diesem Wechselspiel wohnt eine gewisse Eigendynamik inne. Von Seiten der Islamismusprävention wurden vielfältige Angebote entwickelt, um zu verhindern, dass Flüchtlinge bzw. Asylsuchende sich innerhalb Deutschlands radikalisieren.

Insgesamt existiert daher ein breit gefächertes präventives Angebot, welches sich nicht ausschließlich an Migrantinnen und Migranten richtet. Typische Beispiele für Projekte mit Themenbezug sind etwa das Planspiel „Flüchtlingsheim in unserer Stadt“ sowie Sensibilisierungsflyer hinsichtlich rechtsextremistischer Angriffe und islamistischer Propaganda oder Rekrutierungsversuchen, denen Flüchtlinge/Asylbewerber ausgesetzt sind. Auch für die ehrenamtlichen Helfer im Rahmen der Flüchtlingsarbeit wurden vielfältige Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen entwickelt.

Auch technische Entwicklungen machen vor extremistischen Szenen keinen Halt. Vielmehr bieten Sie gar neue Möglichkeiten, ideologische Botschaften zu transportieren und/oder Einfluss auf Radikalisierungsprozesse zu nehmen (vgl. auch Kapitel 3.4). Während Anfang der 2000er-Jahre noch szenetypische Musik auf CDs an Schulhöfen verteilt wurde, nimmt das Internet heutzutage eine zentrale Rolle bei der Verbreitung extremistischen Gedankenguts ein – insbesondere im Zusammenhang mit propagandistischen Zwecken sowie gezielten Anwerbungsversuchen. Deutlich im Kommen sind auch Angebote, die die Medienkompetenz (junger) Menschen fördern (14 %). Sie zielt hierbei insbesondere auf einen qualifizierten und kritischen Umgang mit den Medien ab. Wichtig ist in erster Linie, Besonderheiten des Web 2.0-Zeitalters, der Social Media und der Echtzeitkommunikation sowie in geringerem Umfang auch technische Hintergrundinformationen zu vermitteln, um junge Menschen nicht nur zu passiven Anwendern der modernen Informationstechnologie zu machen, sondern auch dazu in die Lage zu versetzen, komplexere Hintergrundprozesse besser zu verstehen (z. B. Echo-Kammern und Filterblasen; Details siehe Kapitel 3.4) . Innerhalb des Medienkompetenzangebots wird dieser Schwerpunkt am häufigsten im Bereich Rechtsextremismusprävention aufgegriffen (59 %), gefolgt von Extremismus allgemein (57 %), Islamismus (33 %) und Linksextremismus (9 %).

Derzeit lässt sich feststellen, dass Neue Medien immer mehr in der Präventionsarbeit genutzt werden. So handelt es sich bei knapp 4 % der Projekte um online-basierte, interaktive Angebote, also Angebote, für die eine Vor-Ort-Präsenz zur Teilnahme nicht mehr nötig ist. Hierunter fallen beispielsweise Online-Schulungen, Beratungsangebote oder Online-Sozialarbeit. Auch wenn deren Anteil (derzeit 60 Maßnahmen) insgesamt nicht sonderlich hoch erscheint, zeichnet sich in diesem Bereich eine deutliche Steigerung ab, die in den Vorjahreszeiträumen so noch nicht zu beobachten war.

Gibt es Belege für die Wirksamkeit der Projekte?

Die Frage nach der Wirksamkeit von Prävention ist bisher kaum zu beantworten: Wie kann auch der Beweis geführt werden, dass sich jemand ohne Teilhabe bzw. aktive Teilnahme an einem Präventionsprojekt anders entwickelt hätte. Insbesondere aufgrund der Vielfältigkeit und Unvorhersehbarkeit sozialer Prozesse und Entwicklungen ist kaum nachzuvollziehen wie stark der Einfluss einer präventiven Intervention letztlich für den Einzelnen ist/war.
Dennoch macht es Sinn, Maßnahmen kritisch zu begleiten und zu prüfen, ob sie entsprechend ihrer Konzeption systematisch und nachweisbar durchgeführt und das ursprünglich geplante Ziel auch tatsächlich erreicht wird. Nur so können Maßnahmen optimiert und negative, nicht beabsichtigte Nebenfolgen identifiziert sowie weitgehend vermieden werden. Wissenschaftliche Begleitforschung, also die sach- und fachgerechte Bewertung (Evaluation) von Projekten, hilft dabei, sowohl Missstände als auch Bewährtes aufzudecken und sinnvoll in der zukünftigen Arbeit zu berücksichtigen.

Zwar wurden in der Vergangenheit ausgewählte Projekte evaluiert, in der Praxis gelangten die so gewonnen Erkenntnisse jedoch kaum an die Öffentlichkeit und konnten dementsprechend kaum Einfluss auf die Prävention nehmen. Eine von der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus des Bundeskriminalamts im Jahr 2016 durchgeführte Expertenbefragung hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass sich viele Projekte eine gute Prozessbegleitung und Unterstützung zur Optimierung wünschen, andererseits aber auch viele Unsicherheiten bezüglich evaluativer Maßnahmen bestehen – so etwa die Angst, dass es sich hierbei um ein Kontrollinstrumentarium oder eine Form des Rechenschaftsberichts handelt.28)

Da es sich bei den im EPA erfassten Angeboten um laufende Projekte handelt, liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Evaluationsergebnisse vor. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Zugänglichkeit für 2019/2020 verändert hat.

Erfreulicherweise beobachten wir, dass immer mehr Träger Unterlagen und Konzepte ihrer Projekte und Fortbildungsmaßnahmen im Internet veröffentlichen und so anderen zur Verfügung stellen. Hierdurch wird Prävention transparenter und bietet Orientierungsvorlagen für neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Nachteilig bleibt jedoch, dass in letzter Konsequenz jedem selbst überlassen bleibt, zu bewerten, ob die vorgefundenen Konzepte angemessen oder effektiv sind – eine stärkere Transparenz könnte hier dazu beitragen, eine Richtung vorzugeben und möglicherweise ineffektive Konzepte nicht dauerhaft fortzuführen bzw. ungewollt zu verfestigen (zu Formen und Realisierungsmöglichkeiten effektiver Evaluationsmaßnahmen vgl. Kapitel 4).

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen