Bundeskriminalamt (BKA)

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Doch die Aufgaben für die Präventionsarbeit mit Fußballfans werden nicht leichter. An vielen Standorten sind Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsorientierten Fans derselben Mannschaft zu beobachten. Die seit den 1990er-Jahren in den Stadien dominanten, nicht selten eher links-akademisch geprägten, Ultras differenzieren sich bezüglich ihrer Einstellung zu Gewalt in vielen Fankurven aus. Einigen Ultras genügt das bloße Anfeuern der Mannschaft nicht mehr, sie suchen aktiv gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Fangruppen. Dieses erlebnisorientierte Potenzial wiederum ist hochattraktiv für rechte Kader innerhalb und außerhalb des Stadions. Phänomene wie Hooligans gegen Salafisten versuchten, es 2014 (mit zeitlich begrenztem Erfolg) für rechtsextreme Agitationen außerhalb des Stadions nutzbar zu machen.11) Bei den fremdenfeindlichen Aufmärschen in Chemnitz klappte das Zusammenspiel im Sommer 2018 schon besser.

Vorkommnisse bei Alemannia Aachen dienen derweil als Blaupause dafür, wie rechtsextreme Kräfte die aktuell zu beobachtende Aufsplitterung vieler Fanszenen im Stadion für sich nutzen wollen. Unter dem Druck einer mindestens rechtsoffenen Gruppierung mit Verbindungen zu wieder aktiver werdenden rechten (Alt-)Hools und Kameradschaften lösten sich die bekennend antirassistischen Aachen Ultras 2013 auf. Ein Zusammenschluss rechtsextremer Hooligangruppen namens Gnu Honnters propagiert eine Art Rückeroberung der Kurven nach dem Aachener Vorbild und ruft dazu auf, ins politisch linke Spektrum tendierende Ultra-Gruppen aus dem Stadion zu vertreiben. In vielen Fanblöcken entsteht so eine politisch konnotierte Konfliktlinie: Auf der linken Seite sind Ultras sowie eher akademisch geprägte kritische Fans und Unterstützer zu verorten. Auf der rechten verbinden sich (Alt-)Hooligans mit jüngeren sogenannten „Hooltras“.

Dies geht mit der zunehmenden Ausdifferenzierung vieler Ultraszenen in die erwähnten aktiv gewaltsuchenden Teile (Hooltras), bedingt gewaltbereiten Teile (Ultras) und eher gewaltfreien Teile (Supporter) einher.12) Das Gewaltmonopol liegt dank körperlicher Überlegenheit in diesen Konflikten in der Regel rechts, zumal in jüngster Zeit auch noch verstärkt Überschneidungen zwischen Hooltras und rechts geprägten Freefight-Szenen zu beobachten sind.13)

Gezeigt wird das Hauptinteresse idealtypischer Fangruppen und häufig nachzuweisende politisch konnotierte Konfliktlinie aus dem Fußball dar. Drei Gruppen mit Ihren Eigenschaften: Konsum-orientierter Fan, Fußballzentrierter Fan und Erlebnisorientierter Fa

Es wird eine der wesentlichen Aufgaben präventiver Fanarbeit sein, auf diese Herausforderung zu reagieren. Dafür muss es gelingen, eine breite Basis innerhalb der Fanszene in ihrer demokratischen Grundhaltung so zu bestärken, dass sie gegenüber Verlockungen von Rechtsaußen immun ist bzw. bleibt. Das ist eine äußerst heikle Aufgabe, denn Fanszenen lassen sich nicht von außen vorschreiben, wie sie zu denken oder zu handeln haben. Präventive Ansätze sollten also szeneinterne Prozesse anregen. Öffentliche Brandmarkungen als Problemfans und die ständige Verschärfung konfrontativer Maßnahmen gegenüber aktiven Fans, insbesondere Ultras, sind dafür kontraproduktiv. Sie fördern eine Grundskepsis der Fans gegenüber Außenstehenden sowie Abschottungstendenzen. Das erschwert die auf Akzeptanz und Vertrauen aufbauende Präventionsarbeit zusätzlich. Problematisch sind ferner die an vielen Stellen aggressiv auftretenden rechten Akteurinnen und Akteure, die nicht selten andersdenkende Fans sowohl im Stadion als auch in ihrem privaten Umfeld einschüchtern. Hier gilt es, Lösungen zu finden: zur Stärkung der Opfer und zur Konfliktbewältigung.

Positiv stimmen Entwicklungen wie in Dortmund, wo der Verein unter professioneller wissenschaftlicher Hilfe eine breite Palette bereits existenter Maßnahmen erfolgreicher Präventionsarbeit aufgegriffen und mit einem wirksamen Netz aus Früherkennung und Intervention (bis hin zu einem Stadionverbot für extremistisch aufgefallene Personen und Gruppierungen) verknüpft hat. Vielen Vereinen fehlen jedoch das Wissen und/oder die wirtschaftliche Kraft, solche Strategien aus eigener Kraft zusammenzustellen.

Es wäre daher ratsam, (Präventions-)Maßnahmen von Vereinen und Fanprojekten zu sammeln, wissenschaftlich aufzuarbeiten, zu kategorisieren und sie allen Vereinen und Fanprojekten als eine Art Werkzeugkasten zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe könnte zum Beispiel eine auf Verbandsebene angesiedelte zentrale Stelle erledigen, die den Vereinen bzw. Fanprojekten bei Interesse auch während der Projektimplementierung beratend zur Seite steht. Denn eines ist angesichts der Heterogenität der deutschen Fanszene klar: Es gibt nicht „die eine Strategie“ für erfolgreiche Präventionsarbeit mit Fußballfans, da es nicht „die eine Fanszene“ gibt. Ein solcher Werkzeugkasten kann jedoch Vereinen, Fanprojekten und Fanbeauftragten vor Ort die richtigen Instrumente liefern, um für ihren Standort die richtige Strategie zu bauen.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen