Bundeskriminalamt (BKA)

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Menschen jeden Bildungsgrades und Alters sollen die Möglichkeit erhalten, Orientierung in einer globalisierten und digitalisierten Welt zu gewinnen und einen Sinn dafür entwickeln zu können, warum das Aushalten von Unterschieden (Ambiguität und Diversität) ein kostbarer Wert unserer freiheitlichen pluralen Grundordnung ist. Es gehört zu den fundamentalen Aufgaben politischer Bildung, gesellschaftliche Kontroversen aufzugreifen, die ganze Bandbreite an Positionen darzulegen und zu analysieren und auf diesem Wege Menschen zu einer informierten Meinungsbildung zu befähigen. Politische Bildung legt angesichts von sozialen Ungleichheiten und der zu beobachtenden Abwendung von politischen Prozessen wie Institutionen ihren Schwerpunkt auf die Förderung politischer und gesellschaftlicher Teilhabe. Dieser Aufgabe kann sie nicht nachkommen, wenn insbesondere junge Menschen und junge Erwachsene als „Demokratiegefährderinnen oder Demokratiegefährder“ im Sinne einer falsch verstandenen Extremismusprävention adressiert werden sollen. Politische Bildung kann Grundwerte und menschenrechtliche Normen verständlich machen und auf eine zivile demokratische Grundhaltung abzielen.

Wissensvermittlung mit dem Ziel einer Förderung des Verständnisses für demokratische Prozesse und politische Zusammenhänge ist aber nur eine Facette der Arbeit politischer Bildung. Genauso muss sie Orte schaffen, an denen Menschen demokratische Teilhabe selbst erfahren und praktizieren können: gehört werden, Raum für Mitgestaltung finden, sich repräsentiert fühlen. Demokratie muss gelebt und als etwas Lebensnahes erfahren werden. Analoge (Vermittlungs-)Räume sind hier zunehmend relevant: Auf Augenhöhe von Angesicht zu Angesicht mit Menschen aller sozialer Schichten und politischer Couleur zu kommunizieren, eröffnet die Möglichkeit, in einen offenen Austausch miteinander zu treten und Dynamiken für Verständigung und Akzeptanz anzustoßen.

In der politischen Bildung geht es vor allem darum, Wege aufzuzeigen, wie sich Menschen zu politisch denkenden, sprechenden und handelnden Persönlichkeiten entwickeln können. Im Sinne des Subjektansatzes gilt es, Menschen dazu zu befähigen, die eigene Position zu finden und für die eigenen Anliegen sprechfähig zu sein. Es müssen Lernprozesse organisiert werden, die an den Erfahrungen und den Interessen der Teilnehmenden orientiert sind und diese dazu einladen, ihre Lebensgeschichte und Standpunkte zu artikulieren und zu reflektieren. Politische Bildung stößt Bildungsprozesse offen an, und das bedeutet auch, dass am Ende ein Ergebnis stehen kann, das nicht der Intention der vermittelnden Person entspricht. Folglich müssen politische Bildungsprozesse auch Kontrollverluste zugunsten der jeweils eigenen Sprechenden-Position der Adressatinnen und Adressaten wagen, damit sich bei diesen ein Selbstverständnis als gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure entwickeln kann und ihnen Raum gegeben wird, ihre eigenen Ansichten zu teilen und Möglichkeiten der Reflexion vorzunehmen. Die Hinwendung in die Lebenswelten der Menschen, die Erfahrung von Gestaltungsmacht und ihr Engagement kann Integrationskräfte freisetzen, die dem Gefühl von Orientierungs- und Machtlosigkeit entgegenwirken. Sie kann auch Ambiguitätstoleranz im Sinne eines respektvollen Miteinanders fördern und die Resilienz der Menschen gegenüber Ansprachen aus der extremistischen Szene stärken.

Gleichwohl führt eine Verbesserung von Teilhabechancen aller nicht zwangsläufig zu mehr Konsens; vielmehr kommt es zu neuen Aushandlungsprozessen, zu Reibung und Auseinandersetzung, die jedoch gemeinschafts- und vertrauensstiftend wirken können. Der politische Streit und das Ringen um einen Kompromiss mögen dabei mühsam und im Ergebnis nicht immer zufriedenstellend sein, allerdings gehören sie zum Wesen der Demokratie und sind eine Errungenschaft, die durch persönliches Erfahren greifbar wird.

Passgenau konzipierten Formaten für unterschiedliche Zielgruppen und Adressatinnen sowie Adressaten politischer Bildung kommt eine besondere Bedeutung zu jedoch sollte sich niemand der Illusion hingeben, damit diejenigen erreichen zu können, die sich in einem dogmatisch-ideologischen Umfeld bewegen oder die bereits radikalisiert sind. Hier ist vorrangig die Expertise anderer Fachdisziplinen gefragt, wenngleich politische Bildung sich durchaus mit der Arbeit etwa von Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Sozialarbeiterinnen und -arbeitern verzahnen und abstimmen kann und sollte, um bestimmte Prozesse unterstützend zu begleiten. In der Praxis bleibt die Umsetzung einer solchen Verzahnung allerdings an vielen Stellen noch ein Desiderat. Die Agenda politischer Bildung ist es, gesamtgesellschaftlich zu wirken und alle Teile und Altersstufen der pluralen und vielfältigen Gesellschaft zu erreichen, darunter auch diejenigen, die zweifeln, unsicher sind und möglicherweise radikalisierungsgefährdet.

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind dabei eine besondere Zielgruppe und zugleich bedeutende Partnerinnen und Partnr politischer Bildung. Spezielle Formate vermitteln ihnen zum einen handlungsleitende Kompetenzen und sensibilisieren sie zum anderen für das Thema Prävention und Ursachen von Radikalisierung. Letzteres hat in allen Bereichen politischer Bildung einen Platz und schließt an die Bewertung gesellschaftlicher Transformationsprozesse an: Es muss sich ein achtsames Bewusstsein für den Zusammenhang entwickeln, dass individuelle Erfahrungen von gesellschaftlicher Ausgrenzung, Marginalisierung und Stigmatisierung eine mitunter nicht unerhebliche Rolle im Prozess einer Hinwendung zu absoluten Wahrheiten und radikalen Positionen spielen.

Ausgrenzungsmechanismen werden entlang diverser Linien erfahren: ethnische Herkunft, Armut, sexuelle Orientierung, Arbeitslosigkeit, psycho-soziale Gefüge etc. Hier setzt politische Bildung an, indem sie auf diesen Kontext zum einen in Projekten und Materialien fokussiert und indem sie zugleich alternative Angebote der Identifikation und Teilhabe macht und so Zugehörigkeit im Sinne eines solidarisch-einenden Gesellschaftsnarrativs stärkt.

Die direkte Auseinandersetzung mit „extremen“ Positionen und Ansichten in Form von Analysen ihrer gesellschaftlichen Ursachen und immanenten Dynamiken gehört zum Kern politischer Bildung und ist nicht zuletzt überhaupt der Beweggrund für das Entstehen der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) im Jahr 1952 gewesen. Es liegt daher eine ganz besondere Verantwortung in unserer Aufgabe, Menschen für Politik zu interessieren, Zusammenhänge darzulegen und sie dazu zu motivieren, gesellschaftspolitisches Engagement zu entwickeln. In der Vermittlung von Inhalten und der projektbezogenen Zusammenarbeit orientieren wir uns an den drei didaktischen Leitlinien des „Beutelsbacher Konsens“, insbesondere in der Auseinandersetzung mit Schülerinnen und Schülern und jungen Menschen: Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, Kontroversitätsgebot (Kontroverses muss auch kontrovers dargestellt werden) und die Förderung der individuellen Befähigung, eine politische Situation und die jeweils eigene Interessenlage analysieren zu können.

Mit einer Verpflichtung zu Neutralität jedoch hat dieser in den 1970er-Jahren entstandene Konsens nichts zu tun. Im Gegenteil: Politische Bildung ist an die Normen und Werte des Grundgesetzes gehalten, woraus sich die unbedingte Pflicht und auch das Recht ergeben, Positionen des politischen Diskurses, die die Werte der Verfassung verletzen oder missachten, auch als solche zu benennen – ganz gleich, aus welchem Teil der Gesellschaft sie kommen.