Bundeskriminalamt (BKA)

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Es kommt bei Jugendlichen der zweiten Generation zu einer Umwertung: Hier geboren und aufgewachsen erwarten sie, auch hier eine Heimat geboten zu bekommen, in der sie sich heimisch fühlen können. Bei Nichterfüllung dieser Erwartungen beginnen die Jugendlichen, kulturelle Gegensätze zu konstruieren und vorhandene zu übertreiben. Es kommt zur Überbetonung von Differenzen. Gemeinsamkeiten in den Einstellungen und Vorstellungen, aber auch religiöse Gemeinsamkeiten werden heruntergespielt. Ein offenes Islamverständnis, das nicht nur Gemeinsamkeiten mit den anderen Weltreligionen betont, sondern auch das im Koran verankerte Prinzip der Würdigung aller Menschen als Menschen – unabhängig davon, welcher Weltanschauung sie angehören – spricht diese Jugendlichen weniger an, denn sie suchen nach Elementen in der Religion, die ihr Anderssein betonen sollen. Begriffe wie Aufklärung oder Moderne werden pauschal als „westlich“ abgelehnt, ohne sich mit deren Inhalten zu beschäftigen. Hier besteht die Gefahr der Instrumentalisierung der Religion, im Sinne einer reaktiven Rückbesinnung, die sich durch das Festhalten an sichtbaren Symbolen äußert, um Grenzen zwischen Kollektiven auf der Basis religiöser Differenz zu ziehen.

Eine immer stärkere Identifikation mit dem Islam und zugleich eine kaum reflexive Beschäftigung mit dem Islam führen zur Aushöhlung der Religion. Denn es geht bei dieser Identifikation mit dem Islam nicht um Spiritualität, um Gotteserfahrung, um Inhalt, sondern lediglich um die äußere, identitätsstiftende Fassade. Und genau hier wird das salafistische/fundamentalistische Angebot attraktiv, denn dieses spaltet die Welt in Gut und Böse. Die Guten liebt Gott, die Bösen verdammt er bis in die Ewigkeit. Salafisten seien die einzigen, die von Gott geliebt werden, sie seien letztendlich die Sieger, die Auserwählten. Dazuzugehören gibt ein Gefühl der Stärke und vor allem der Überlegenheit. Das restriktive Gottesbild der Salafisten verleiht Macht, denn an der Seite eines kriegerischen Gottes zu stehen, dessen Botschaft eine Kampfansage ist, macht mächtig. Ein barmherziger, liebender Gott, dessen Barmherzigkeit seinem Zorn vorauseilt, ist hingegen ein schwacher Gott, daher konstruieren fundamentalistische Gruppierungen einen patriarchalischen Gott, der seine Männlichkeit immer wieder mit Zorn und Gewalt unter Beweis stellt. Sich mit solchen fundamentalistischen Gedanken zu identifizieren ist letztendlich Ausdruck innerer Ohnmacht, die manche Jugendlichen, aber nicht nur Jugendliche, durch die Identifikation mit einer mächtig auftretenden Religion zu kompensieren versuchen.

Solche ausgehöhlten Identitäten sind stark anfällig für politische Instrumentalisierung und entsprechende Rekrutierung in fundamentalistischen Milieus. Jürgen Oelkers bringt diese Gedanken auf den Punkt: „Die politische Bearbeitung dieser Probleme dürfte umso schwieriger werden, je weniger die sozio-ökonomische Integration gelingt, je geringer der Schulerfolg der Kinder ist, je mehr verschiedene Generationen Desintegration erleben und je härter die eigene Kultur abgeschottet wird. Von der anderen Seite aus gesagt: Je weniger die aufnehmende Kultur bereit ist, Integrationswillige aufzunehmen, je stärker sich die fundamentalistische Diskussion entwickelt und je weniger echte Chancen sich die Mitglieder der fremden Kultur ausrechnen können, desto mehr verschärft sich das Problem. Religiöse Überzeugungen lassen sich dabei politisch instrumentalisieren, und dies umso mehr, je weniger Kontakt mit anderen Kulturen besteht.“11)

Imame in Deutschland: Es kommt nicht nur auf die Sprache der Predigt, sondern und vor allem auf deren Inhalte an

In der öffentlichen Debatte wurde und wird weiterhin in Deutschland über die Notwendigkeit diskutiert, dass Imame auch auf Deutsch predigen sollen. Es ist keine Frage, dass die Predigt muslimischer Imame auf Deutsch bzw. zumindest eine Zusammenfassung der Predigt auf Deutsch für mehr Transparenz der Arbeit der Imame sorgen wird, aber auch, und das ist in meinen Augen noch wichtiger, für mehr Ansprechbarkeit der Predigten für Musliminnen und Muslime, vor allem für muslimische Jugendliche, welche die deutsche Sprache viel besser beherrschen und verstehen können als die Sprachen der Herkunftsländer ihrer Eltern. Allerdings ist die Sprache allein weder das eigentliche Problem noch die eigentliche Lösung, denn worauf es im Grunde ankommt, sind die Inhalte, die den Menschen in den Moscheegemeinden vermittelt werden. Viele salafistische Prediger in Deutschland tragen ihre Gedanken in ihren Moscheen und in öffentlich zugänglichen Medien auf Deutsch vor und erreichen dadurch eine breite Basis an muslimischen Jugendlichen. Und gerade dieses Beispiel der salafistischen Prediger zeigt, wo das eigentliche Problem liegt. Es ist die Frage: Welcher Islam wird an deutschen Moscheen vermittelt?

Diese Frage ist deshalb zentral, weil die meisten Musliminnen und Muslime nicht selbst im Koran nachlesen bzw. sich mit islamischer Literatur auseinandersetzen, sondern viele sich auf das verlassen, was sie von sogenannten religiösen Autoritäten hören; für sie ist das der richtige Islam. Und da Imame für viele Musliminnen und Muslime als solche Autoritäten gelten, tragen diese eine große Verantwortung zur Etablierung des jeweiligen Islambildes, das sie predigen. Als Leiter des größten islamisch-theologischen Zentrums in Deutschland12) bin ich unmittelbar in der Frage der Imameausbildung an deutschen Universitäten involviert. Daher möchte ich hier in Stichpunkten skizzieren, welche Inhalte deutsche Imame für einen weltoffenen Islam verantworten sollten und welche theologischen Hürden zu überwinden wären:

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen