Bundeskriminalamt (BKA)

Inhalt des Kapitels / Moduls

Sehr geehrte Damen und Herren,


am 18. und 19. November 2015 – fünf Tage nach den koordinierten Anschlägen der Terrororganisation „Islamischer Staat (IS)“ in Paris, die 130 Tote und fast 700 Verletzte forderten – fand in Mainz die jährliche Herbsttagung des Bundeskriminalamtes statt. Das Thema der Tagung – „Internationaler Terrorismus: Wie können Prävention und Repression Schritt halten?“ – war bereits Monate zuvor festgelegt worden. Die Pariser Anschläge unterstrichen drastisch seine Aktualität und führten uns einmal mehr vor Augen, wie wichtig es ist, neben der repressiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch die Terrorismusprävention in den Fokus zu rücken und gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft geeignete Strategien zu diskutieren. Leider müssen wir auch nach der Zerschlagung des IS in Syrien und im Irak immer wieder extremistische Straftaten bis hin zu terroristischen Gewalttaten registrieren. Neben dem internationalen religiös motivierten Terrorismus müssen wir uns in diesen Tagen auch intensiv mit dem rechtsmotivierten Extremismus und Terrorismus befassen – mit einer Bedrohung, die nie ganz aus unserer Gesellschaft verschwunden war. Die Taten des „Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU)“, die Anschläge in Hanau und in Halle und auch die vielen weiteren Opfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung Deutschlands zeigen uns auf schmerzliche Weise, dass die Eindämmung von Extremismus und Terrorismus nach wie vor eine der dringlichsten Aufgaben für die Sicherheitsbehörden darstellt. Doch nicht nur die Sicherheitsbehörden stehen hier in der Verantwortung. Vielmehr handelt es sich um eine Aufgabe, die nur mit einem gesamtgesellschaftlichen
und Phänomen übergreifenden Ansatz erfolgreich bewältigt werden kann. Polizeiliche Gefahrenabwehr und Strafverfolgung muss durch eine interdisziplinäre und ressortübergreifende Prävention flankiert werden. Das maßgebliche Ziel ist es, Radikalisierungsprozesse wo immer möglich zu verhindern und jenen, die sich bereits in entsprechenden extremistischen oder terroristischen Szenen befinden, Angebote zum Ausstieg und zur Deradikalisierung zu machen. Aus unserer polizeifachlichen Sicht haben wir fünf zentrale Anforderungen formuliert, die eine gesamtgesellschaftliche Prävention berücksichtigen sollte, um den hohen Erwartungen zu entsprechen und Wirkung zu entfalten:

  • die Koordination von Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen,
  • eine gezielte Ressourcensteuerung für Präventionspraxis und Forschung,
  • Qualitätsmanagement und transparente Evaluation,
  • ein effektives System des Wissensmanagements
  • und ein Ausbau der Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft.


Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle der deutschen Polizei unterstützt diese Anforderungen durch die Bereitstellung relevanter Phänomen bezogener Erkenntnisse, eine Sensibilisierung für potenzielle Risiken und Gefahren sowie durch eigene kriminologische Forschung zu den unterschiedlichsten Erscheinungsformen von Kriminalität im Allgemeinen sowie von politisch und/oder religiös motivierter Kriminalität im Besonderen, die dabei eng mit der Wissenschaftsgemeinschaft kooperiert. Das vorliegende Handbuch soll einen Beitrag zu einer verbesserten gesamtgesellschaftlichkooperativ verstandenen Extremismusprävention leisten. Es spiegelt unsere Überzeugung, dass die Extremismusprävention stets am aktuellen Wissen ausgerichtet und gesamtgesellschaftlich gestaltet werden muss. Zahlreiche Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden beleuchten darin vielfältige Facetten von Extremismus und Terrorismus als komplexes und herausforderndes gesellschaftliches Phänomen und beschreiben unterschiedliche Ansätze für Prävention. Uns ist bewusst, dass dieses Handbuch nicht alles vorhandene Wissen zu den unterschiedlichen Ausprägungen von Extremismus und Terrorismus und auch nicht die Präventionspraxis in all ihrer Vielfalt abbilden kann. Dennoch sind wir überzeugt, dass es ein sinnvolles Hilfsmittel für diejenigen sein kann, die Extremismusprävention in unterschiedlichen Rollen und aus differenten Bedarfslagen heraus gestalten und betreiben.


Mit freundlichem Gruß

Unterschrift Holger Münch


Holger Münch
Präsident des Bundeskriminalamtes